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Kaan Boztug

Kaan Boztug

Genombasierte Präzisionsmedizin für kindliche Immun- und Bluterkrankungen

Forschungsschwerpunkt

Angeborene Defekte des Immunsystems – bekannt als primäre Immundefekte (PIDs) – stellen ein wertvolles, natürliches Modell dar, um zentrale Komponenten der menschlichen Immunfunktion zu untersuchen. Viele PIDs gehen mit Merkmalen von Autoimmunität oder Autoinflammation einher. Autoimmunität entsteht, wenn das Immunsystem körpereigene Zellen und Gewebe irrtümlich angreift, weil es sie nicht mehr von Krankheitserregern unterscheiden kann. Obwohl zahlreiche Erkrankungen mit Autoimmunreaktionen verbunden sind, bleiben die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen häufig unzureichend verstanden.

Unsere Forschungsgruppe untersucht die molekularen Mechanismen, die Immunhomöostase, Autoimmunität und Immundysregulation regulieren – unter anderem anhand von Modellkrankheiten wie primären Immundefekten und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Wir nutzen moderne genomische Technologien, darunter insbesondere Whole-Exome-Sequenzierung von Patientenproben, zur Identifikation krankheitsverursachender Mutationen. Diese Analysen ergänzen wir durch funktionelle Tests zur Validierung molekularer Befunde. Unser übergeordnetes Ziel ist es, das molekulare Verständnis immunologischer Erkrankungen zu vertiefen und zur Entwicklung personalisierter Präzisionsmedizin beizutragen.

Genomische Ansätze zur Erforschung von Immundefekten

Obwohl Autoimmunerkrankungen intensiv in Tiermodellen untersucht wurden, zeigen klinische Beobachtungen die Grenzen dieser Modelle auf – viele Patient:innen profitieren nicht von darauf basierenden Therapien. Dies unterstreicht die Notwendigkeit patientenorientierter Forschung zur Pathophysiologie immunologischer Erkrankungen.

Wir untersuchen Patient:innen mit angeborenen Störungen des Immunsystems – primären Immundefekten – die sich häufig nicht nur durch erhöhte Infektanfälligkeit, sondern auch durch schwere Immunfehlregulationen und Autoimmunreaktionen manifestieren. Diese seltenen Erkrankungen bieten einzigartige Einblicke in die molekularen Grundlagen immunologischer Dysfunktion.

Mit hochmodernen genomischen Methoden wie SNP-Analysen und Exomsequenzierung identifizieren wir krankheitsverursachende Mutationen. Nachfolgende funktionelle Studien – etwa an kultivierten Zellen – ermöglichen die Charakterisierung der betroffenen biologischen Signalwege. So gewinnen wir ein vertieftes Verständnis der Immunarchitektur und schaffen die Basis für präzise Diagnostik und Therapie.

Molekulargenetik kindlicher Leukämien

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf Blutkrebserkrankungen im Kindesalter, insbesondere auf der molekularen Genetik pädiatrischer Leukämien. In Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen am CeMM analysieren wir das Genom von Leukämiepatient:innen, um spezifische genomische Veränderungen zu identifizieren. Diese Erkenntnisse kombinieren wir mit umfassenden Arzneisensitivitätsprofilen, um individuelle Verwundbarkeiten leukämischer Zellen aufzudecken.

Ziel dieser Arbeiten ist es, Konzepte personalisierter Krebstherapie weiterzuentwickeln – und Behandlungsstrategien auf der Grundlage individueller molekularer Profile gezielt anzupassen.

Biosketch

Kaan Boztug ist seit 2011 Principal Investigator am CeMM. Er studierte Medizin an den Universitäten Düsseldorf, Freiburg (Deutschland) und London (Großbritannien) und absolvierte seine wissenschaftliche Ausbildung bei Iain L. Campbell am Scripps Research Institute in La Jolla (USA). Anschließend forschte und arbeitete er klinisch unter der Leitung von Christoph Klein an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Seine Forschungsgruppe kombiniert Next-Generation-Sequencing, molekularbiologische Methoden und systemmedizinische Ansätze, um genetische Ursachen und molekulare Krankheitsmechanismen seltener Erkrankungen der Hämatopoese und Immunregulation zu entschlüsseln.

Seit 2019 ist Kaan Boztug wissenschaftlicher Direktor des St. Anna Kinderspitals Forschungsinstituts (Children’s Cancer Research Institute, CCRI). Er leitet außerdem das CeRUD – Vienna Center for Rare and Undiagnosed Diseases – sowie das Ludwig Boltzmann Institut für Seltene und Undiagnostizierte Erkrankungen (LBI-RUD). Darüber hinaus ist er Professor für Kinder- und Jugendheilkunde an der Medizinischen Universität Wien sowie leitender Oberarzt für pädiatrische Hämatologie und Onkologie und Leiter der Immunologie am St. Anna Kinderspital.

Er wurde mit einem ERC Starting Grant (2012) und einem ERC Consolidator Grant (2018) des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet. 2019 erhielt er den Johann Wilhelm Ritter von Mannagetta-Preis für Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2022 ist Kaan Boztug korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse.

Top 5 Publications

  1. Ransmayr B, Köstel Bal S, Thian M, Svaton M, van de Wetering C, Hafemeister C, et al. LTβR deficiency causes lymph node aplasia and impaired B cell differentiation. Sci Immunol. 2024;9(101):eadq8796. doi:10.1126/sciimmunol.adq8796. (published paper)

  2. Block J, Rashkova C, Castanon I, Zoghi S, Platon J, Ardy RC, et al. Systemic inflammation and normocytic anemia in DOCK11 deficiency. N Engl J Med. 2023;389(6):527-539. doi:10.1056/NEJMoa2210054. (published paper)

  3. Shahin T, Kuehn HS, Shoeb MR, Gawriyski L, Giuliani S, Repiscak P, et al. Germline biallelic mutation affecting the transcription factor Helios causes pleiotropic defects of immunity. Sci Immunol. 2021;6(65):eabe3981. doi:10.1126/sciimmunol.abe3981. (published paper)

  4. Kalinichenko A, Perinetti Casoni G, Dupré L, Trotta L, Huemer J, Galgano D, et al. RhoG deficiency abrogates cytotoxicity of human lymphocytes and causes hemophagocytic lymphohistiocytosis. Blood. 2021;137(15):2033-2045. doi:10.1182/blood.2020008738. (published paper)

  5. Ozen A, Comrie WA, Ardy RC, Domínguez Conde C, Dalgic B, Beser ÖF, et al. CD55 deficiency, early-onset protein-losing enteropathy, and thrombosis. N Engl J Med. 2017;377(1):52-61. doi:10.1056/NEJMoa1615887. (published paper)

 

Eine vollständige Liste der Publikationen finden Sie im Google Scholar profile von Kaan Boztug.