Forschungsschwerpunkt
Unsere Forschungsgruppe beschäftigt sich mit der Biologie epithelialer Zellen in menschlichen gastrointestinalen Organen, insbesondere in Speiseröhre, Magen und Dünndarm. Diese Verdauungsorgane erfüllen spezialisierte Funktionen, die im Zusammenspiel die Aufnahme und Verdauung von Nährstoffen ermöglichen. Die Speiseröhre transportiert aufgenommene Nahrung in den Magen. Im Magen entsteht eine stark saure Umgebung, die zur Sterilisation der Nahrung dient, schädliche Bakterien abtötet und die Vorverdauung einleitet. Der Dünndarm spielt eine zentrale Rolle bei der Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen.
Diese essenziellen Funktionen werden von hochspezialisierten epithelialen Zelltypen des Gastrointestinaltrakts ausgeführt, die durch schnellen Zellumsatz und kontinuierliche Erneuerung im Rahmen der normalen Homöostase gekennzeichnet sind. Eine Störung dieser Homöostase steht im Zusammenhang mit zahlreichen Verdauungserkrankungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind. Chronische Entzündungen können zu Krankheitsbildern wie Ösophagitis, Barrett-Ösophagus, Gastritis oder Morbus Crohn führen – allesamt Erkrankungen, die das Risiko für Magen-Darm-Krebs erhöhen können. Besonders Ösophagus- und Magenkarzinome gelten als äußerst aggressiv, mit derzeit begrenzten therapeutischen Optionen.
Gastrointestinale Organoide
Die molekularen Funktionen epithelialer Zellen sowie der entsprechenden Tumorzellen in gastrointestinalen Organen wurden traditionell mithilfe von Tiermodellen untersucht oder – in jüngerer Zeit – durch Einzelzelltranskriptomik an menschlichem Gewebe. Einen transformativen Fortschritt in diesem Bereich stellt die Entwicklung von Organoidkulturen dar, die aus adulten menschlichen epithelialen Stammzellen gewonnen werden und unbegrenzt kultivierbar sind – ohne Notwendigkeit einer Immortalisierung.
Diese humanen gastrointestinalen Organoide, die entweder aus gesundem Gewebe oder aus Tumorbiopsien generiert werden, bewahren die zelluläre Architektur, das Differenzierungspotenzial und die Vielfalt epithelialer Zelltypen, wie sie auch in vivo vorkommen. In Kombination mit hochmodernen Technologien wie Einzelzellgenomik und CRISPR/Cas9-Genom-Editierung ermöglichen diese Modelle eine detaillierte funktionelle Analyse menschlicher gastrointestinaler Zellen und Krebserkrankungen auf bislang unerreichter Auflösungsebene.
Funktion gastrointestinaler epithelialer Zelltypen
Mittels Einzelzell-RNA-Sequenzierung haben wir kürzlich neue Einblicke in die zelluläre Zusammensetzung und die Genexpressionssignaturen unterschiedlicher epithelialer Zelltypen in Speiseröhre, Magen und Duodenum des Menschen gewonnen. In künftigen Projekten wollen wir zentrale epitheliale Zellpopulationen funktionell untersuchen – darunter säuresekretierende Belegzellen und hormonproduzierende enteroendokrine Zellen des Magens sowie neu entdeckte, BCHE-exprimierende Zellen im Duodenum.
Dazu werden wir CRISPR-basierte Genom-Editierung einsetzen, um fluoreszierende Marker in zellspezifische Gene zu integrieren. Dies ermöglicht eine präzise Identifikation und Isolierung differenzierter Zelltypen innerhalb von Organoidkulturen. Anschließend untersuchen wir ihre Reaktion auf extrazelluläre Signale, ihre Wirkmechanismen und ihre Rolle bei der Krankheitsentstehung.
Darüber hinaus erforschen wir, wie Nährstoffe sowie vom Mikrobiom abgeleitete Signale das Verhalten von Magen- und Duodenalepithelien beeinflussen und möglicherweise zur Karzinogenese beitragen. Alle unsere Projekte basieren maßgeblich auf der Nutzung von Organoidtechnologie, Genom-Editierung und Next-Generation-Sequencing, um das Verständnis menschlicher gastrointestinaler Biologie und Erkrankungen zu vertiefen.
Biosketch
Georg Busslinger studierte zunächst Molekularbiologie an der Universität Wien und absolvierte anschließend sein Masterstudium an der ETH Zürich (Schweiz). Vor Beginn seiner Promotion forschte er ein Jahr lang im Labor von Alexander Tarakhovsky an der Rockefeller University in New York (USA) zur epigenetischen Regulation der Interferonantwort. Danach wechselte er in die Gruppe von Jan-Michael Peters am Research Institute of Molecular Pathology (IMP) in Wien, wo er in seiner Dissertation die molekularen Mechanismen der Cohesin-Lokalisation im Genom nicht-proliferierender Zellen untersuchte.
Für seine Postdoc-Zeit ging er an das Hubrecht Institute in Utrecht (Niederlande) in das Labor von Hans Clevers, wo er sich auf das Gebiet der Organoidbiologie spezialisierte. Dort charakterisierte er das humane gastrointestinale Epithel der Speiseröhre, des Magens und des Duodenums mit Einzelzellauflösung. Dies führte zur molekularen Definition der Zelltypen dieser Organe sowie zur Identifikation seltener Zellpopulationen und eines neuartigen Hormons, das von enterochromaffin-ähnlichen Zellen produziert wird. Darüber hinaus untersuchte er zelluläre und molekulare Aspekte verschiedener Stadien des Barrett-Ösophagus, einem häufigen prämalignen Zustand des Ösophagusadenokarzinoms. In Zusammenarbeit mit Ärzt*innen des UMC Utrecht initiierte er zudem eine Studie zur Frage, ob in vitro kultivierte Organoide aus Ösophagus- und Magenkarzinomen Rückschlüsse auf die Chemotherapie-Wirksamkeit beim Patienten zulassen.
Seit 2021 ist Georg Busslinger Principal Investigator an der MedUni Wien. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Differenzierungsverhalten menschlicher Magenzellen, den zellulären Grundlagen entzündlicher Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie der Interaktion von Mikroben mit Epithelzellen.
Top-5-Publikationen
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Thapa HB, Passegger CA, Fleischhacker D, et al. Enrichment of human IgA-coated bacterial vesicles in ulcerative colitis as a driver of inflammation. Nat Commun. 2025;16(1):3995. doi:10.1038/s41467-025-59354-5. (published paper)
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Beumer J, Geurts MH, Geurts V, et al. Description and functional validation of human enteroendocrine cell sensors. Science. 2024;386(6719):341-348. doi:10.1126/science.adl1460. (published paper)
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Huang L, Bernink JH, Giladi A, et al. Tuft cells act as regenerative stem cells in the human intestine. Nature. 2024;634(8035):929-935. doi:10.1038/s41586-024-07952-6. (published paper)
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Busslinger GA, de Barbanson B, Oka R, et al. Molecular characterization of Barrett’s esophagus at single-cell resolution. Proc Natl Acad Sci U S A. 2021;118(47):e2113061118. doi:10.1073/pnas.2113061118. (published paper)
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Busslinger GA, Weusten BLA, Bogte A, Begthel H, Brosens LAA, Clevers H. Human gastrointestinal epithelia of the esophagus, stomach, and duodenum resolved at single-cell resolution. Cell Rep. 2021;34(10):108819. doi:10.1016/j.celrep.2021.108819. (published paper)
Eine vollständige Liste der Publikationen finden Sie im Google Scholar profile von Georg Busslinger.