14. CeMM S.M.A.R.T. Lecture mit Walter Pohl

Walter Pohl at the 14th CeMM S.M.A.R.T. Lecture (© Bubu Dujmic / CeMM)
Wer sind wir? Woher kommen wir? Wo gehören wir hin? Und wohin gehen wir? Mit diesen grundlegenden Fragen der Geschichtswissenschaft eröffnete Walter Pohl am 26. März die 14. S.M.A.R.T. Lecture am CeMM – und unterstrich, warum Geschichte für moderne Gesellschaften von zentraler Bedeutung bleibt, jenseits gängiger Vorstellungen und Klischees.
In seinem fesselnden Vortrag zeigte Pohl, wie sich solche Fragen durch eine bemerkenswerte Verbindung aus klassischer Geschichtsforschung, Archäologie und Genetik untersuchen lassen – und wie man sich zugleich von überholten und durch Nationalismus oder Rassismus geprägten Deutungen distanzieren kann. Die rasanten Fortschritte in der Archäogenetik eröffnen heute faszinierende neue Möglichkeiten, die Geschichte des Menschen besser zu verstehen. Während sich erste Studien noch stark auf Evolution und Vorgeschichte konzentrierten, reicht das Spektrum inzwischen bis weit in historische Epochen hinein.
Pohl präsentierte zentrale Erkenntnisse aus dem von ihm koordinierten ERC-Synergy-Projekt HistoGenes, das die genetischen, historischen und archäologischen Hintergründe von Bevölkerungsdynamiken in Ostmitteleuropa zwischen 400 und 900 n. Chr. untersucht. In diesem interdisziplinären Projekt werden Genetik, Archäologie, Anthropologie und historische Analyse zusammengeführt, um nachvollziehbar zu machen, wie sich Gemeinschaften bildeten, bewegten und entwickelten. Durch die Analyse ganzer Gräberfelder ermöglicht HistoGenes neue Einblicke in Migrationsbewegungen, Identitätsbildung und soziale Strukturen vergangener Gesellschaften.
Im Verlauf des Vortrags betonte Pohl immer wieder das Zusammenspiel von Genetik und Geschichte – und warnte zugleich vor vereinfachenden oder deterministischen Interpretationen genetischer Daten. Nur im Kontext historischer und archäologischer Erkenntnisse lasse sich genetische Information sinnvoll deuten. Zu den zentralen Fragestellungen zählen: Wie entstehen menschliche Gemeinschaften? Welche Rolle spielen Migrationen? Und wie beeinflussen äußere Faktoren wie Klima oder Krankheiten demografische Entwicklungen? Besonders herausfordernd sei es, ethnische Zugehörigkeiten oder Identitäten genetisch zu fassen – ein Anliegen, das hohe interdisziplinäre Sorgfalt erfordere.
Der Vortrag stieß auf großes Interesse und regte zu lebhaften Diskussionen an. Viele Zuhörer:innen nutzten die Gelegenheit, im Anschluss Fragen zu stellen – und setzten den Austausch bei Wein und Käse in angeregter Atmosphäre fort.
Wir danken Walter Pohl herzlich für einen inspirierenden und klugen Vortrag, der einmal mehr gezeigt hat, wie kraftvoll interdisziplinäre Forschung unser Verständnis von Vergangenheit – und Gegenwart – vertiefen kann.
Zur CeMM S.M.A.R.T. Lecture Series
Die vom CeMM initiierte S.M.A.R.T. Lecture Series widmet sich aktuellen wissenschaftlichen Fragestellungen an der Schnittstelle von Forschung und Gesellschaft. Ziel ist es, den interdisziplinären Austausch zu fördern, den Blick über Fachgrenzen hinweg zu öffnen und den Dialog mit einem breiteren Publikum zu stärken. Die Vortragsreihe beleuchtet Themen aus Wissenschaft, Medizin, Kunst, Forschung und Technologie – und schafft so Raum für neue Perspektiven, Zusammenarbeit und gemeinsames Lernen.
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