Forschungsschwerpunkt
Für jede lebende Zelle – auch eine menschliche – ist es essenziell, eine eigene Umgebung innerhalb von Membranen aufrechtzuerhalten. Diese schützt nicht nur das genetische Material, sondern ermöglicht auch effiziente chemische Reaktionen und die Energiegewinnung. Die Steuerung der Schnittstelle zwischen äußerer Umwelt und dem biochemischen Innenleben erfolgt über die Aktivität und Regulation von Membrantransportern. Das Superti-Furga-Labor betrachtet Transporter als ideale Zielstrukturen zur gezielten Beeinflussung des Zellstoffwechsels – sie spiegeln das „Nährstoffbedürfnis“ einer Zelle wider, im Kontext dessen, was die Umwelt bereitstellt.
Fünf Schwerpunkte der Forschung im GSF-Labor:
- Wir untersuchen die Mechanismen und Prinzipien, wie Konzentrationen einzelner Metabolite, Ionen und Nährstoffe in Zellen aufgebaut, koordiniert und aufrechterhalten werden.
- Wir analysieren die Rolle schwankender Konzentrationen kleiner Moleküle in intra- und extrazellulären Räumen für Zellidentität, Homöostase und Krankheitsprozesse.
- Wir stören gezielt Stoffwechselprozesse und Signalwege, um Zellwachstum zu beeinflussen, und analysieren deren wechselseitige Abhängigkeiten.
- Wir fokussieren strategisch auf Membrantransporter als pharmakologisch nutzbare Regulatoren des Stoffwechsels sowie auf Proteostase als therapeutisches Bindeglied zwischen Wachstum und metabolischer Kontrolle.
- Wir fördern translationale Forschung durch die Entwicklung kleiner Moleküle zur Modulation zellulärer Homöostase und die ex vivo-Analyse ihrer Wirkung bei Krebs und entzündlichen Erkrankungen.
Stoffwechsel und Regulation der Metabolitenkonzentration
Alle Zellen sind von einer Lipid-Doppelschicht umgeben, die als selektive Barriere zwischen dem wässrigen Zellinneren und der Umgebung dient. Dennoch müssen Zellen Nährstoffe, Wasser und Ionen aufnehmen, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten, Energie zu erzeugen und Bausteine für Genomstabilität und -replikation bereitzustellen. Während einige Moleküle passiv durch die Membran diffundieren können, benötigen die meisten – darunter Vitamine, Hormone, Xenobiotika, Pflanzenstoffe, Pestizide, mikrobiomabgeleitete Metabolite und insbesondere pharmazeutische Wirkstoffe – spezifische Membrantransporter.
Diese Transporter fungieren als Torwächter an der Schnittstelle von Chemie und Biologie und vermitteln die Interaktionen zwischen Organismus und Umwelt. Als eine der größten und bislang wenig erforschten Genfamilien im Menschen schlugen wir eine Intensivierung der Forschung zur SLC-(Solute Carrier)-Transporter-Superfamilie vor – der größten Gruppe menschlicher Membrantransporter (César-Razquin, Snijder et al., Cell 2015).
Unser Labor untersucht, wie SLC-Transporter Stoffwechselströme, Medikamententransport und zelluläre Signalgebung regulieren. Ein besseres Verständnis ihrer Spezifität und Funktion – auch im Netzwerk – könnte die gezielte Medikamentenentwicklung verbessern und neue Einblicke liefern, wie biologische Systeme durch ihre chemische Umgebung geprägt werden.
Krebstherapien und Arzneimittelforschung
Viele wirksame Medikamente wirken nicht über ein einzelnes Ziel, sondern über komplexe Störungen biologischer Systeme. Durch einen systembiologischen Ansatz zur Charakterisierung chemischer Verbindungen möchten wir das Verständnis von Wirkmechanismen vertiefen, die Patient*innenstratifizierung verbessern und die Präzision klinischer Studien erhöhen. Gleichzeitig können Nebenwirkungen reduziert und Kombinationstherapien gezielter entwickelt werden.
Das GSF-Labor ist seit Langem an hämatologischen Krebserkrankungen interessiert – insbesondere an den molekularen Mechanismen der Leukämie. Von der BCR-ABL-Signalweiterleitung bei chronisch myeloischer Leukämie (CML) bis hin zu verschiedenen Formen der akuten myeloischen Leukämie (AML) setzen wir modernste Methoden ein, um Resistenzmechanismen zu erforschen und neue therapeutische Angriffspunkte zu identifizieren.
Angeborene Immunität, Entzündung und Infektionen
Ein zentrales Ziel unserer Forschung ist es zu verstehen, wie der menschliche Körper Krankheitserreger wie Viren und Bakterien erkennt und bekämpft – und wie Autoimmunreaktionen entstehen oder gestört ablaufen. Dies bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien bei einer Vielzahl entzündlicher und infektiöser Erkrankungen.
In den vergangenen zehn Jahren haben wir unter anderem:
- ein neues Adapterprotein entdeckt, das angeborene und adaptive Immunität verknüpft,
- Funktionen von SLC-Transportern im Überleben bei Virusinfektionen und bei der Phagozytose von Bakterien aufgeklärt,
- gezeigt, wie die Zusammensetzung von Membranlipiden Signalprozesse der angeborenen Immunität beeinflusst,
- untersucht, wie programmierter Zelltod gezielt beeinflusst werden kann, um Entzündungsprozesse abzuschwächen.
Biosketch
Giulio Superti-Furga, Ph.D., ist wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Professor für Medizinische Systembiologie am Zentrum für Physiologie der Medizinischen Universität Wien. Zudem ist er wissenschaftlicher Direktor der Ri.MED Foundation in Palermo, Italien, und designierter Generaldirektor des neuen Forschungszentrums der Stiftung. Seit 2024 ist er Vorsitzender von EU-LIFE, dem Zusammenschluss von siebzehn führenden europäischen Life-Science-Instituten.
Von 2017 bis 2019 war er Mitglied des Scientific Council des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Sein Studium der Molekularbiologie absolvierte er an der Universität Zürich sowie am Genentech Inc. (South San Francisco, USA) und am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Er war Postdoktorand und Teamleiter am Europäischen Molekularbiologielabor (EMBL) bis 2004 und mehrere Jahre Professor für Biotechnologie an der Universität Bologna. Im Jahr 2000 war er Mitbegründer des Biotech-Unternehmens Cellzome Inc., wo er fünf Jahre lang als wissenschaftlicher Direktor den Forschungsstandort Heidelberg leitete. Darüber hinaus war er Mitgründer der Biotech-Firmen Haplogen, Allcyte, Proxygen und Solgate.
Zu seinen wichtigsten wissenschaftlichen Beiträgen zählen die Aufklärung grundlegender Regulationsmechanismen von Tyrosinkinasen in menschlichen Krebserkrankungen, die Entdeckung zentraler Prinzipien der Proteomorganisation höherer Organismen und die Identifizierung bedeutender Proteine der angeborenen Immunität. Seit über zehn Jahren leitet er internationale Initiativen zur Erforschung des menschlichen Transportoms – der Gesamtheit der Membrantransporter.
Am CeMM etablierte er eine einzigartige Form der „Super-Kooperation“, in der Biologie und Medizin, experimentelle und rechnergestützte Ansätze sowie Grundlagenforschung, Translation und gesellschaftlicher Dialog eng miteinander verknüpft sind – einschließlich Kunst und Kultur.
Giulio Superti-Furga ist Mitglied von fünf wissenschaftlichen Akademien, darunter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.
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Hier können Sie das Genom von Giulio Superti-Furga einsehen: PGA-1
Top 5 Publications
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Goldmann U, Wiedmer T, Garofoli A, et al. Data- and knowledge-derived functional landscape of human solute carriers. Mol Syst Biol. 2025;21(6):599-631. doi:10.1038/s44320-025-00108-2. (published paper)
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Heinz LX, Lee JE, Kapoor U, et al. TASL is the SLC15A4-associated adaptor for IRF5 activation by TLR7-9. Nature. 2020;581(7808):316-322. doi:10.1038/s41586-020-2282-0. (published paper)
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Bigenzahn JW, Collu GM, Kartnig F, et al. LZTR1 is a regulator of RAS ubiquitination and signaling. Science. 2018;362(6419):1171-1177. doi:10.1126/science.aap8210. (published paper)
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Rebsamen M, Pochini L, Stasyk T, et al. SLC38A9 is a component of the lysosomal amino acid sensing machinery that controls mTORC1. Nature. 2015;519(7544):477-481. doi:10.1038/nature14107. (published paper)
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César-Razquin A, Snijder B, Frappier-Brinton T, et al. A call for systematic research on solute carriers. Cell. 2015;162(3):478-487. doi:10.1016/j.cell.2015.07.022. (published paper)
Eine vollständige Liste der Publikationen finden Sie im Google Scholar profile von Giulio Superti-Furga.
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