DE EN

Zu Ehren von Karl Landsteiner, dem Wiener Entdecker der Blutgruppen, wird seit 2007 jährlich die CeMM Landsteiner Lecture gehalten. Die Vortragenden, die von den Principle Investigators und Adjunct Principle Investigators des CeMM sorgfältig ausgewählt werden, sind prominente Wissenschaftler:innen, bei denen man davon ausgehend kann, dass ihre Forschung einen bedeutenden Einfluss auf die Medizin hat. Der Vortrag richtet sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an die breite Öffentlichkeit. Von 2007 bis 2018 und ab 2023 findet der Vortrag im prächtigen, mit Fresken ausgestatteten Festsaal aus dem 18. Jahrhundert der Österreichischen Akademie der Wissenschaften statt, wo einst Werke von Haydn und Beethoven erstaufgeführt wurden. 

Karl Landsteiner (1868–1943) wurde in Wien, Österreich, geboren und schloss 1891 sein Medizinstudium an der Universität Wien ab. Er erhielt den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung der „individuellen Unterschiede im menschlichen Blut“, was auch der Titel seines Nobelvortrags war, den er am 11. Dezember 1930 hielt. In diesem Vortrag beschrieb er die vier verschiedenen Typen des menschlichen Blutes oder Blutgruppen und diskutierte die therapeutischen Anwendungen dieser Entdeckung. Heute sind die weitreichenden Auswirkungen seiner Arbeit in verschiedenen Bereichen der Medizin und Biologie leicht zu erkennen. In Anerkennung seiner Errungenschaften zierte Landsteiners Porträt bis zur Einführung des Euro die Tausend-Schilling-Banknote in Österreich.

2025 Tony Wyss-Coray

Young Blood for Old Brains and the Quest to Slow Aging

Wie peinlich, wenn man auf einer Veranstaltung einen Namen vergisst! Mit dieser Anekdote eröffnete Tony Wyss-Coray, Professor an der Stanford Medicine, die 18. CeMM Landsteiner Lecture am 13. Mai 2025. Sein Vortrag, „Young Blood for Old Brains and the Quest to Slow Aging“, erforschte, wie das Altern das Gehirn beeinflusst und warum manche Menschen dagegen widerstandsfähig zu sein scheinen. In einem fesselnden Vortrag erklärte Wyss-Coray, wie blutbasierte Faktoren das Altern im Gehirn und im gesamten Körper beeinflussen können. Seine bahnbrechende Forschung zeigt, dass Transfusionen von jungem Blut Organe bei Mäusen verjüngen und dass Blutanalysen das biologische Alter von Organen genau bestimmen können.

Obwohl eine vollständige Verjüngung nicht möglich ist, betonte Wyss-Coray, dass eine frühzeitige Erkennung und gezielte Interventionen Aspekte des Alterns auf molekularer Ebene verlangsamen oder sogar umkehren könnten. „Wir könnten Menschen überwachen, solange sie noch gesund sind, und eingreifen, bevor Krankheiten auftreten“, schloss er. Die Veranstaltung zog über 400 Gäste an und setzte sich mit einer lebhaften Diskussion und einem Empfang fort. Ein Auftritt des Nexus String Quartet mit Werken von Johann Strauss Sohn rundete diesen inspirierenden Abend ab.

Falls Sie an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, sehen Sie sich bitte die vollständige Aufnahme unten an und besuchen Sie unsere Bildergalerie.

2024 Molly Stevens

Designing Innovative Materials for Enhanced Healing and Early Disease Detection

Am 13. Mai 2024 hielt Dame Molly Stevens, John Black Professor of Bionanoscience an der Universität Oxford sowie Professorin am Imperial College London und am Karolinska Institut, die 17. CeMM Karl Landsteiner Lecture. Ihr packender Vortrag bot tiefgehende Einblicke in ihre bahnbrechende Forschung zu maßgeschneiderten Biomaterialien für Anwendungen in der Krankheitsdiagnostik und regenerativen Medizin.

Sie zeigte beispielhaft, wie ein grundlegendes Verständnis der Interaktionen auf (Nano-)Partikelebene zu zahlreichen Anwendungen in Forschung und Gesundheitswesen geführt hat. Harte wissenschaftliche Arbeit über mehr als zwanzig Jahre ermöglicht inzwischen Arzneimittelverabreichungsstudien auf Einzelpartikelebene. Die Forschung von Molly Stevens und ihrem Team hat das Potenzial, die Früherkennung von Krankheiten weltweit neu zu gestalten, einschließlich robuster Biosensorik, die auch im globalen Süden anwendbar ist. Darüber hinaus bietet die Überwindung technologischer Barrieren durch die Einbindung der Leistungsfähigkeit mobiler Kommunikation ein vielversprechendes Potenzial im Gesundheitswesen mit großen gesellschaftlichen Auswirkungen.

Die Veranstaltung wurde vom in Wien ansässigen Radio String Quartet begleitet, das unter anderem eine mitreißende zeitgenössische Wiedergabe von J.S. Bachs Presto aus der g-Moll-Violinsonate darbot.

Falls Sie nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, sehen Sie sich bitte die vollständige Aufnahme unten an und besuchen Sie unsere Fotogalerie.

2023 Benjamin F. Cravett

Exploring human biology with persistent chemistry

Die 16. Landsteiner Lecture fand am 8. Mai 2023 im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften statt, wo der Hauptredner Benjamin F. Cravatt, Professor und Norton B. Gilula Chair of Chemical Biology am Scripps Research Institute (USA), einen zum Nachdenken anregenden Vortrag hielt.

Benjamin F. Cravatt ist ein Pionier in der Verwendung von chemischen Substanzen, um die Biologie zu kartieren und besser zu verstehen. Er hat innovative Methoden entwickelt, die es ermöglichen, alle Enzyme einer bestimmten Klasse, die in einer Zelle aktiv vorhanden sind, gleichzeitig zu identifizieren. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen messen seine Methoden die Funktion, indem sogenannte „funktionelle“ Proben verwendet werden. Er ist ein wahrer Meister der „chemischen Biologie“ und seine wissenschaftlichen Beiträge wurden kürzlich mit dem renommierten Wolf-Preis anerkannt.

Die Veranstaltung wurde von rund 300 Wissenschaftler:innen und Laien besucht und bot eine hervorragende Gelegenheit, etwas über dieses faszinierende Gebiet zu lernen und klassische Musikstücke des Duos BartolomeyBittmann zu genießen.

Wenn Sie an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, sehen Sie hier die vollständige Aufzeichnung.

Sehen Sie sich die Bildergalerie hier an.

2022 Wendell Lim

Beyond Evolution: Building New Cellular Functions and Therapies

Am 9. Mai 2022 fand die 15. Landsteiner Lecture wieder im wunderschönen Haus der Industrie in Wien statt. Sie wurde von Wendell Lim, Professor und Vorsitzender des Instituts für Zelluläre und Molekulare Pharmakologie an der University of California San Francisco (USA) sowie Direktor des Nanomedicine Development Center und des Synthetic Biology Engineering Research Center, gehalten.

Prof. Wendell Lim ist bekannt für seine bedeutenden Beiträge zur synthetischen Biologie. In seinem Vortrag präsentierte er dieForschungsarbeiten zur Neugestaltung biologischer zellulärer Schaltkreise und Systeme, um Zellen zu entwickeln, die neue Funktionen in Gesund und anderen Lebensbereichen ausführen können. Seine Forschung hat potenzielle Anwendungen in der therapeutischen Sensortechnologie, die komplexe Krankheiten wie Krebs identifizieren und behandeln kann, oder in der Modifikation von Signalwegen innerhalb von Zellen zur Entwicklung neuartiger medizinischer Behandlungen.

Rund 300 Wissenschaftler:innen sowie interessierte Laien nahmen an der diesjährigen Veranstaltung teil, die die erste Vorlesung in Präsenz nach der Pandemie war. Die Veranstaltung bot den Teilnehmer:innen Gelegenheit, mehr über dieses spannende wissenschaftliche Gebiet zu erfahren, während sie Fritz Kreislers klassisches Musikstück „3 Alte Wiener Tänze“ genossen.

Wenn Sie nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, sehen Sie sich bitte die vollständige Aufzeichnung hier an.

Werfen Sie einen Blick in die Fotogalerie hier.

2021 Sarah Teichmann

The Human Cell Atlas: Mapping the human body one cell at a time

Die 14. Landsteiner Lecture wurde am 10. Mai 2021 von Sarah Teichmann, Leiterin der Zellulären Genetik am Wellcome Sanger Institute (UK), virtuell gehalten. Ein besonderer Schwerpunkt ihres Vortrags galt dem Global Human Cell Atlas Consortium.

In ihrer Online-Lecture stellte Sarah Teichmann den Human Cell Atlas (HCA) vor, ein Projekt, das sie 2016 gemeinsam mit einer Gemeinschaft weltweit führender Wissenschaftler:innen mitbegründet hatte. Ihr Ziel war es, einen Human Cell Atlas zu erstellen, eine hochauflösende und umfassende Sammlung von Karten, die als Grundlage sowohl für das Verständnis der menschlichen Gesundheit als auch für die Diagnose, Überwachung und Behandlung von Krankheiten dienen sollte. Zellen sind die grundlegendste Einheit des Lebens, dennoch variieren sie enorm im Körper und exprimieren unterschiedliche Gen-Sets. Überraschenderweise gibt es wenig Wissen über sie und ohne umfassende Karten der verschiedenen Typen und Verortungen im Körper ist es nicht möglich, alle ihre Funktionen zu beschreiben um ein besseres Verständnis der biologischen Netzwerke zu erlangen, die ihre Aktivitäten steuern.

Rund 300 Wissenschaftler:innen sowie interessierte Laien schlossen sich der virtuellen Veranstaltung an, um mehr über dieses faszinierende Projekt zu erfahren. In diesem Jahr hatten die Teilnehmer:innen die einzigartige Gelegenheit, bequem von zu Hause aus einem wunderschön ausgeführten musikalischen Gruß an Ludwig van Beethoven zu lauschen, der anlässlich seines 250. Geburtstages im Rahmen der Landsteiner Lecture aufgeführt wurde. 

2019 Luke O'Neill

Will we cure all diseases by targeting Inflammation?

Am 6. Mai 2019 genossen rund 350 Teilnehmer:innen die inspirierende und zugleich unterhaltsame 13. CeMM Karl Landsteiner Lecture, die von Luke O'Neill, Lehrstuhlinhaber für Biochemie am Trinity College Dublin, gehalten wurde.

In seinem Vortrag „Werden wir alle Krankheiten heilen, indem wir Entzündungen ins Visier nehmen?“, der sich sowohl an Wissenschaftler:innen als auch an interessierte Laien richtete, wies Professor Luke O'Neill auf den dringenden Bedarf an neuen Behandlungen für wichtige Krankheiten hin. 7.000 verschiedene Krankheiten stehen derzeit nur 500 verfügbaren Behandlungen gegenüber!

Viele gesellschaftlich wichtige Erkrankungen, wie neurodegenerative Krankheiten, Krebs, neuropsychiatrische Störungen, viele entzündliche Erkrankungen, Osteoarthritis, entzündliche Darmerkrankungen und Lupus, benötigen dringend neue Medikamente. Unter Berücksichtigung eines Zeitrahmens von mindestens 10 Jahren von der Entdeckung eines neuen, krankheitsverursachenden molekularen Mechanismus bis zur Entwicklung eines wirksamen Medikaments dagegen betonte er, dass man die Bedeutung und Dringlichkeit der Grundlagenforschung für die Erweiterung des fundamentalen Verstädnisses dieser molekularen Mechanismen nicht überschätzen kann. 

Luke O'Neill präsentierte jene fünf Entdeckungen in der Medizin, die bislang die größte Wirkung hatten, nämlich Impfstoffe, Penicillin (Antibiotika), Anästhetika, Insulin und Verhütungsmittel. Zudem gab er Einblicke in seine eigene Forschung, die sich auf Entzündungen als Ursache der meisten Krankheiten konzentriert.

Lebendig beschrieb er den Entzündungsprozess und die Signalwege als Domino-Spiel und die Bedeutung der Suche nach dem ersten anvisierbaren Dominostein, um effektiv in den entzündlichen Prozess einzugreifen.

Er schlug eine Brücke von der Entdeckung von NLRP3 als einem Hauptweg für Pathologien bei mehreren entzündlichen Erkrankungen, zur Entdeckung wirksamer kleiner Moleküle, von der wertvollsten Grundlagenforschung bis hin zur Auswirkung auf Arzneimittelentdeckung und -entwicklung.

Luke O'Neill erinnerte die Wissenschaftler:innen im Publikum an die Bedeutung ihrer Arbeit, setzte sich für Finanzierung und Unterstützung durch verantwortliche Politiker:innen und Entscheidungsträger:innen ein und betonte die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation mit der breiten Öffentlichkeit. Gleichzeitig weckte er Hoffnungen auf eine Zukunft mit vielen neuen Behandlungen am Horizont. 

Nach dem Vortrag und einem Cocktailempfang rockte er das Haus der Industrie als Leadsänger und Gitarrist seiner Band „The Metabollix“.

2018 Yasmine Belkaid

Can Bacteria Defend our Body? Role of Microbiota in the Control of Immunity

Bei der 12. CeMM Landsteiner Lecture, gehalten von Yasmine Belkaid, Direktorin des NIH Center for Human Immunology und Direktorin des NIAID Microbiome Program, drehte sich alles um eines der wichtigsten aufkommenden Forschungsfelder der Lebenswissenschaften: das Mikrobiom. Yasmine Belkaid erläuterte, wie Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben, jeden Aspekt unseres Immunsystems beeinflussen und warum die Forschung in diesem Bereich die Medizin der Zukunft verändern wird.

Die Gemeinschaften von Bakterien, Protisten, Pilzen und Viren, die sich im gesamten menschlichen Körper befinden, beeinflussen viele Aspekte seiner Physiologie, jedoch ist das Immunsystem jener Teil, der am engsten damit verknüpft ist. Das alte Paradigma einer Immunabwehr, deren einziger Zweck es ist, den Körper gegen eindringende Krankheitserreger zu verteidigen, widerlegend, zeigte Yasmine Belkaid, wie es ständig mit den kommensalen Mikroben interagiert und wie diese einzelligen Organismen die Immunzellen mit einer atemberaubenden Präzision kontrollieren.

Das tiefgründige Bündnis zwischen dem Mikrobiota und dem Immunsystem im Detail zu verstehen, schloss Yasmine Belkaid ihren Vortrag, wird ein großer Fortschritt im Kampf gegen eine Vielzahl medizinischer Zustände sein, von Infektionen bis hin zu Entzündungen und Krebs.

370 Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Bereichen und interessierte Laien zeigten mit lang anhaltendem Applaus und vielen Fragen ihre Wertschätzung für Yasmine Belkaids hervorragenden Vortrag. Der barocke Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war bis auf den letzten Platz gefüllt, und viele weitere verfolgten die Vorlesung per Videoübertragung in einem angrenzenden Raum. Gerahmt von der Musik von Bela Koreny und Ethel Merhaut, die zwei Wiener Lieder hinreißend darboten, wurde der Abend mit einem Cocktail-Empfang und lebhaften Diskussionen abgerundet.

2017 James 'Jay' Bradner

Taking out the Cell Garbage with Chemical Degraders

Die 11. CeMM Landsteiner Lecture, gehalten am 15. Mai 2017 von James „Jay“ Bradner, Präsident des Novartis Institute for BioMedical Research (NIBR), verdeutlichte dem Publikum Prinzipien und Beispiele medizinischer Innovation und deren Auswirkungen auf die gesamte Menschheit. Beginnend mit einem historischen Überblick erinnerte Jay Bradner an die Giganten, auf deren Schultern jeder neue moderne medizinische Fortschritt in der Arzneimittelentdeckung aufbaut. Von Impfstoffen über Antibiotika bis hin zu Biomolekülen wie Insulin – realer medizinischer Fortschritt wurde immer durch radikal neue Ideen und präzise Umsetzung erreicht. 

Dies gilt auch für die Therapie einer der am intensivsten erforschten Krankheiten unserer Zeit: Krebs. Jay Bradner präsentierte den enormen Fortschritt, der in den letzten Jahrzehnten in der Krebstherapie erzielt wurde. Der zentrale Teil seines Vortrags befasste sich mit einem Ansatz namens „gezielte Proteinabwertung“, bei dem Krebsproteine vollständig zur Müllabfuhr der Zelle – dem Proteasom – gezogen werden, wo sie zerstört und recycelt werden. Während andere Methoden versuchen, den richtigen Schlüssel zu finden, um eine verschlossene Tür in Krebszellen zu öffnen, ist die gezielte Proteinabwertung vergleichbar mit einer Sprengladung, die die Türe vollständig wegreißt.

Mit diesem eindrucksvollen Bild machte Jay Bradner den bahnbrechenden Unterschied seines Ansatzes deutlich. Die Ergebnisse dieser Methode sprechen für sich: Blutkörperchen von Leukämiepatienten, die mit JQ1-vermittelter gezielter Proteinabwertung behandelt wurden, schienen „vergessen“ zu haben, dass sie Krebszellen sind und gedeihten wieder wie gesunde, normale Zellen. Nach seinem Vortrag beantwortete Jay Bradner zahlreiche Fragen des Publikums und setzte die Diskussion beim anschließenden Cocktail-Empfang fort, traf buchstäblich Hunderte von jungen sowie älteren Teilnehmern und tauschte Ansichten, Selfies und Koordinaten aus. 

Die diesjährige CeMM Landsteiner Lecture wurde vom wunderbaren Akkordeonisten Otto Lechner begleitet, dessen Musik das Publikum begeisterte.  

2016 Emmanuelle Charpentier

The revolution of CRISPR-Cas genome engineering: lessons learned from bacteria

Emmanuelle Charpentier, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin, hielt am 6. Mai 2016 die 10. CeMM Landsteiner Lecture im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Ihr großartiger Vortrag über die CRISPR-Technologie erfreute Wissenschaftler:innen und Laienpublikum gleichermaßen und wurde auch per Livestream übertragen. Vor etwa 400 Personen erklärte sie die molekulare Grundlage dieses genialen genetischen Werkzeugs und die Geschichte seiner Entwicklung. "Ein schnelles und einfaches Werkzeug war nötig - und genau das hat CRISPR gebracht. Die CRISPR-Cas-Technologie ermöglicht präzise Genchirurgie in jeder Zelle und jedem Organismus" – mit diesen beinahe beiläufig klingenden Worten fasste Emmanuelle Charpentier ihre Entdeckung zusammen, die die biomedizinische Forschung innerhalb weniger Jahre revolutioniert hat und einen grundlegenden Einfluss auf die Zukunft der Medizin haben wird.

Abgeleitet von bakteriellen Abwehrsystemen gegen virale Angriffe, kann die CRISPR-Maschinerie in praktisch jede Art von Zelle und Organismus übertragen werden. Mit einem austauschbaren RNA-Stück wird sie zu einem genauen Ort im Genom geleitet, wo sie eine gewünschte Änderung der DNA-Sequenz durchführt. Dank der Präzision und Effizienz dieser Technologie werden Anwendungen wie die Gentherapie realisierbar und sicher, was neue Behandlungsperspektiven für ein breites Spektrum von Krankheiten bietet. Eingeführt von Anton Zeilinger, Präsident der Akademie, und Giulio Superti-Furga, CeMM-Direktor und Initiator der CeMM Landsteiner Lecture Series, war Emmanuelle Charpentiers Vortrag ein außergewöhnliches Ereignis im barocken Saal der Akademie. Mit dem musikalischen Rahmen, dargeboten vom Ensemble “Karat-Apart”, und dem anschließenden Cocktail-Empfang war die 10. CeMM Landsteiner Lecture in jeder Hinsicht ein denkwürdiges und freudiges Jubiläum. Emmanuelle Charpentiers energetische Persönlichkeit sowie ihr unbeirrbarer Hingabe für die Wissenschaft hinterließen bei uns allen einen unvergesslichen und bleibenden Eindruck.

2015 Laurie H. Glimcher

Stressed Out: A Novel Approach to Cancer Immunotherapy

Die 9. CeMM Landsteiner Lecture wurde von Laurie H. Glimcher, Dekanin des Weill Cornell Medical College in New York, gehalten und konzentrierte sich auf die Krankheit des 21. Jahrhunderts: Krebs und eine neuartige Idee, Krebs zu behandeln. Am 27. April 2015 verfolgten rund 300 Gäste ihren lebhaften und faszinierenden Vortrag, in dem sie einen neuartigen Ansatz zur Krebsimmuntherapie vorstellte, der vielversprechend ist, um solide, sehr aggressive und leider oft spät diagnostizierte Tumoren wie Brust- und Eierstockkrebs zu behandeln. Diese bösartigen Tumoren finden sehr oft kreative Wege, um unter verschiedenen Stressbedingungen wie Hypoxie, Nährstoffmangel und Chemotherapie zu überleben. In ihrem Vortrag präsentierte Laurie H. Glimcher neue Erkenntnisse darüber, wie diese Tumore durch das Immunsystem gestresst und besiegt werden können.

Man könnte an zwei Strategien denken, um dieses Ziel zu erreichen: Entweder den Tumor direkt anzugreifen oder das Immunsystem zu aktivieren, damit es Tumorzellen als fremd erkennt und eine robuste Anti-Tumor-Antwort einleitet. Beide Ansätze können durch das direkte Targeting eines Transkriptionsfaktors namens X-Box Binding Protein 1 (XBP1) erreicht werden, den Tumore zu ihrem Vorteil nutzen. Laurie H. Glimcher stellte XBP1 als ein neuartiges, sehr vielversprechendes Ziel für die Krebsimmuntherapie vor, das besonders relevant ist für die Behandlung von aggressiven, soliden Tumoren über zwei Anti-Krebs-Mechanismen: das Wachstum des Tumors zu verhindern und/oder das Immunsystem zu aktivieren, um Tumorzellen zu töten.

2014 David M. Sabatini

Grow-Shrink, Get Fat-Stay Lean, Divide-Rest: How Cells Decide

Am 5. Mai 2014 fand die achte CeMM Landsteiner Lecture statt. Vortragender war der US-amerikanische Zellbiologe und Biochemiker David M. Sabatini, Professor am Whitehead Institute und am Massachusetts Institute of Technology in Boston. Seine Forschung widmet sich der grundlegenden Frage, wie Zellen wachsen. Zu seinen wichtigsten wissenschaftlichen Beiträgen zählt die Entdeckung und Untersuchung eines Proteins, das heute als zentral für das Verständnis von Krebs und Diabetes gilt. Bereits 1994, während seines Doktoratsstudiums an der Johns Hopkins Medical School, entdeckte Professor Sabatini das Protein mTOR, das eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Zellwachstums in verschiedenen Organismen spielt.

Seither konzentriert er sich auf die Erforschung von mTOR und dessen Funktionen. Dabei gelangten ihm weitere aufschlussreiche Entdeckungen – etwa zur Rolle von mTOR bei Erkrankungen wie Krebs und Diabetes sowie im Alterungsprozess. In seiner CeMM Landsteiner Lecture 2014 mit dem Titel „Grow – Shrink, Get Fat – Stay Lean, Divide – Rest: How Cells Decide“ beleuchtete Prof. Sabatini grundlegende, faszinierende Prozesse rund um das mTOR-Protein. Dabei zeigte er auf, wie Zellen interne und externe Signale – etwa die Verfügbarkeit von Nährstoffen – integrieren, um grundlegende Entscheidungen wie Proliferation oder Differenzierung zu treffen.

Die Lecture stieß auf großes Interesse, was sich in der lebhaften Podiumsdiskussion im Anschluss widerspiegelte. Wie mittlerweile zur Tradition geworden, wurde die Veranstaltung mit einem kurzen Konzert eröffnet und mit einem Empfang abgerundet. Das Konzert gestaltete der Wiener Wissenschaftler Gustav Ammerer, Biotech-Pionier und Forschungsgruppenleiter an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien. Der passionierte Cellospieler eröffnete den Abend mit einer eindrucksvollen Interpretation der Allemande und Sarabande aus Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 1 in G-Dur (BWV 1007) und trug mit weiteren Stücken auch zur musikalischen Gestaltung des Empfangs bei – ein gelungener Abschluss eines besonderen Abends.

2013 Hans Clevers

Stem Cells of the Bowel: Bright Site, Dark Site

Die siebte CeMM Landsteiner Lecture wurde von Hans Clevers vom Hubrecht Institute in den Niederlanden gehalten, der zugleich Präsident der Königlich-Niederländischen Akademie der Wissenschaften war. Hans Clevers hat im Verlauf seiner wissenschaftlichen Laufbahn grundlegende Beiträge in verschiedenen Fachgebieten geleistet – auch die Stammzellbiologie, sein aktueller Forschungsschwerpunkt, bildet hier keine Ausnahme. Seine Lecture mit dem Titel „Stem Cells of the Bowel: Bright Side, Dark Side“ fand am 6. Mai 2013 vor einem fachlich breit gefächerten Publikum sowie weiteren Interessierten statt.

Anhand anschaulicher Animationen und wenig bekannter historischer Einblicke präsentierte Hans Clevers Forschungsergebnisse aus verschiedenen Projekten seines Labors der vergangenen zehn Jahre, die sich alle mit den dynamischen Eigenschaften intestinaler Stammzellen befassen. Er erläuterte, dass die Epithelzellschicht, die die zwölf Meter des Dünndarms auskleidet und an der Verdauung beteiligt ist, einem der extremsten biologischen Milieus überhaupt ausgesetzt ist – dem Darminhalt. Die Zellen überleben dort nur kurze Zeit, sodass die gesamte Darmschleimhaut etwa alle vier Tage vollständig erneuert werden muss. Diese hohe Zellumsatzrate wird durch intestinale Stammzellen ermöglicht, die kontinuierlich neues Epithel erzeugen.

Hans Clevers zeigte, wie seine Arbeitsgruppe die schwer fassbare intestinale Stammzelle in der Maus identifizieren konnte und wie daraus künstliche, dreidimensionale „Mini-Därme“ im Labor kultiviert wurden. Die Fähigkeit, gesundes, funktionales Gewebe im Labor zu züchten, eröffnet neue Perspektiven für die regenerative Medizin und könnte die Behandlung von Patient:innen mit Darm- oder Leberschäden grundlegend verändern. Zudem bietet das System neue Möglichkeiten, um Krankheiten wie Darmkrebs künftig besser in vitro zu modellieren und zu untersuchen.

2012 Ruslan M. Medzhitov

Host Defense Strategies

Am 3. Mai 2012 fand die sechste CeMM Landsteiner Lecture statt. Vortragender war Ruslan M. Medzhitov vom Howard Hughes Medical Institute an der Yale University School of Medicine, ein Pionier auf dem Gebiet der angeborenen Immunität. Seit mehr als 20 Jahren erforscht er die molekularen Mechanismen der Immunerkennung und die Steuerung adaptiver Immunantworten. Im Zentrum seiner Lecture stand die grundlegende Frage: „Wie unterscheidet ein Organismus zwischen Selbst und Fremd?“

Die Fähigkeit, körpereigene Zellen von fremden Erregern wie Bakterien und Viren zu unterscheiden, ist essenziell für die effektive Funktion des Immunsystems. In seinem Vortrag stellte Ruslan Medzhitov drei Strategien vor, mit denen Menschen und andere Organismen auf Krankheitserreger reagieren: Vermeidung – also die Reduktion der Erregerexposition; Resistenz – die Verringerung der Erregerlast; und Toleranz – die Abschwächung der negativen Auswirkungen eines Erregers.

Der zentrale Punkt des Vortrags war das Verständnis von Toleranz gegenüber Krankheitserregern als entscheidender Faktor in der Immunologie. Medzhitov betrachtete Virulenz aus evolutionsbiologischer Perspektive, verwies auf historische Beispiele wie die Spanische Grippe von 1918 und stellte neue experimentelle Ansätze vor. Sein Vortrag stieß auf großes Interesse und regte zu intensiven Gesprächen beim anschließenden Empfang an. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Jussuv Karajev (Violine) und Marija Köhler (Klavier), die mit Tänzen aus Zentralasien stimmungsvolle Eindrücke aus der Welt der Seidenstraße vermittelten.

2011 George Q. Daley

Stem Cells and Regenerative Medicine: Breakthroughs and Battles

Am 2. Mai 2012 hielt George Q. Daley die fünfte CeMM Landsteiner Lecture. Er gilt als international führender Experte auf den Gebieten der Stammzellbiologie, Hämatologie und Onkologie. George Daley ist Associate Professor für Biologische Chemie und Pädiatrie an der Harvard Medical School in Boston, USA. Seine Forschung konzentriert sich auf hämatopoetische Stammzellen, um die molekularen Grundlagen der Leukämie zu verstehen und Einblicke in die normale Blutbildung zu gewinnen.

Vor dem Vortrag eröffnete Prof. Jan G. Jiracek von Arnim den Abend mit einer eindrucksvollen und eindringlichen Interpretation von Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 13 in a-Moll. Die einleitenden Worte sprach Giulio Superti-Furga, der Karl Landsteiner als eine Persönlichkeit würdigte, die wie kaum eine andere für das Konzept der Molekularen Medizin steht. In seiner Rede verwies er auch auf David Baltimore, den Doktorvater von George Daley, der für das CeMM und dessen Grundprinzipien von großer Bedeutung war. Giulio Superti-Furga erinnerte daran, dass George Daley als Erster zeigen konnte, dass ein menschliches Onkogen Krebs in Mäusen auslösen kann, und dass er der erste Träger des „NIH Director’s Pioneer Award“ für besonders innovative Forschung war.

In seinem Vortrag betonte George Daley die Bedeutung der Stammzellforschung und erläuterte, dass Tiermodelle für manche Erkrankungen nicht ausreichen. Als Beispiel nannte er die Fanconi-Anämie, eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, deren menschliche Ausprägung in Tiermodellen nicht adäquat nachgebildet werden kann. In solchen Fällen ist der Einsatz menschlicher Stammzellen unerlässlich. Daley wies jedoch auch auf die Risiken einer vorschnellen Kommerzialisierung früher Forschungsergebnisse hin: Immer wieder gebe es Unternehmen, die die potenziellen Vorteile übertreiben und die Risiken von Stammzelltherapien verharmlosen.

Mit Blick auf wissenschaftliche Praxis sprach sich Daley deutlich für eine langsame, schrittweise und sorgfältige Vorgehensweise in der Stammzellforschung aus. Er betonte, wie wichtig die Einbindung der Öffentlichkeit in die Diskussion sei. Auf die Frage nach der Tumorbildung durch Stammzellen riet er zur Geduld: Die erste Zellersatztherapie werde bald verfügbar sein, allerdings voraussichtlich nicht in komplex aufgebauten Organen wie Herz, Gehirn oder Lunge.

2010 Helen Hobbs

Genes versus Fast Food: Eat, Drink and be Wary

Helen Hobbs, Genetikerin an der University of Texas Southwestern und Direktorin des McDermott Center for Human Growth and Development, hielt die vierte CeMM Landsteiner Lecture mit dem Titel: „Genes Versus Fast Food: Eat, Drink and Be Wary“. Ihr zentrales Forschungsinteresse gilt der Genetik des Fettstoffwechsels und dessen Zusammenhang mit Adipositas und damit assoziierten Erkrankungen wie Atherosklerose. Gemeinsam mit Ronald Victor und weiteren Kolleg:innen entwickelte sie die „Dallas Heart Study“, um ethnische Unterschiede in der kardiovaskulären Gesundheit zu untersuchen. Über einen Zeitraum von acht Jahren führten die Wissenschaftler:innen mehr als 3.500 Messungen und Interviews mit rund 5.000 Einwohner:innen von Dallas durch, um genetische Varianten zu identifizieren, die mit dem Fettgehalt der Leber zusammenhängen. Durch den Vergleich von Leberfettwerten und genetischen Markern konnten sie eine Korrelation zwischen der Fettlebererkrankung und Sequenzvarianten im Gen für PNPLA-3 feststellen.

Im zweiten Teil ihres Vortrags ging Hobbs auf den Einfluss genetischer Variationen auf den Cholesterinspiegel im Blut ein. In den USA tritt koronare Herzkrankheit 15-mal häufiger auf als im ländlichen China – dieser Beobachtung wollte Hobbs auf den Grund gehen. Anhand der Proband:innen der Dallas Heart Study suchte sie mit ihrem Team nach Mutationen im Gen für das Protein PCSK9, die mit dem Cholesterinspiegel in Zusammenhang stehen. Dabei entdeckten sie eine sogenannte Loss-of-function-Mutation, die überwiegend bei afroamerikanischen Personen vorkommt und mit einer Reduktion des LDL-Cholesterins im Plasma um 28 % assoziiert ist. Ziel ist es nun, dieses Wissen über PCSK9 zu nutzen, um neue therapeutische Ansätze zur Senkung des Risikos für chronisch-progrediente Erkrankungen zu entwickeln. Die Arbeiten von Helen Hobbs haben wesentlich zum Verständnis des genetischen Beitrags an schweren menschlichen Erkrankungen beigetragen und machen sie zu einer Vorreiterin der Molekularen Medizin – und zu einer überaus verdienten Trägerin der Karl Landsteiner Lecture 2010.

Den musikalischen Rahmen der Veranstaltung gestaltete der 16-jährige Cellist Benedikt Hellsberg, Sohn des damaligen Vorstands der Wiener Philharmoniker, begleitet von Eva Ulrich am Klavier. Sie spielten Robert Schumanns „Fantasiestücke“ op. 73 sowie „Der Schwan“ aus Camille Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“.

2009 Vishva Dixit

Death Receptors, Ubiquitin Editing and Inflammasome Function

Die 3.CeMM Landsteiner Lecture fand am 4. Mai 2009 statt und wurde von Dr. Vishva Dixit gehalten, Vizepräsident für Physiologische Chemie beim Biotechnologieunternehmen Genentech mit Sitz in San Francisco. Genentech fördert gezielt die Grundlagenforschung und gilt als Wegbereiter der gesamten Biotechnologiebranche. Vishva Dixit hat insbesondere im Bereich des programmierten Zelltods (Apoptose) bedeutende wissenschaftliche Beiträge geleistet. Er charakterisierte die molekularen Komponenten des sogenannten „Death Receptor“-Signalwegs und entdeckte neue mechanistische Prinzipien intrazellulärer Signalübertragung.

In seinem Vortrag nahm Vishva Dixit das Publikum mit auf eine Reise durch seine wissenschaftlichen Entdeckungen – beginnend in den frühen 1990er-Jahren, als das Forschungsinteresse stärker auf Zellwachstum und -überleben gerichtet war als auf Zelltod. Heute ist bekannt, dass der programmierte Zelltod nicht nur für die Entwicklung eines Organismus, sondern auch für die Aufrechterhaltung der Homöostase im erwachsenen Körper essenziell ist. Parallel zur Apoptoseforschung untersuchte Dixits Arbeitsgruppe auch die molekularen Mechanismen der Entzündungsreaktion. Die schnelle zelluläre Reaktion auf mikrobielle Infektionen ließ auf ein intrazelluläres Sensorsystem schließen, das als Alarmsignalgeber fungiert. Gemeinsam mit anderen Gruppen identifizierte das Team Proteine mit sogenannten Death Domains, die mikrobielle Komponenten erkennen und die Assemblierung eines großen multiproteinkomplexen Signalgerüsts – des Inflammasoms – auslösen können, wodurch die Entzündungsreaktion aktiviert wird.

Die Entscheidung, in der Industrie zu arbeiten, begründete Vishva Dixit mit dem Wunsch, seine Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in therapeutische Ansätze zu überführen, um einen direkten Beitrag zur Behandlung von Patient:innen zu leisten. Tatsächlich ist seine Forschung zum Zelltod zentral für das Verständnis der molekularen Mechanismen, die dem Überleben von Krebszellen zugrunde liegen. Dieser wissenschaftliche Ansatz entspricht dem Leitbild des CeMM, Grundlagenforschung gezielt in innovative Therapieansätze für Krebs, Entzündungserkrankungen und Immunstörungen zu überführen. Vishva Dixit war damit ein überaus passender Vortragender für die Karl Landsteiner Lecture 2009 am CeMM – und gilt als Pionier der Molekularen Medizin.

2008 Kári Stefánsson

Genetics of Common Diseases in the Context of Human Diversity

Kári Stefánsson, Vorstandsvorsitzender und CEO von deCODE Genetics in Island, hielt am 5. Mai 2008 die zweite CeMM Landsteiner Lecture. Der frühere Professor für Neurologie, Neuropathologie und Neurowissenschaften an der Harvard University präsentierte die wissenschaftlichen und medizinischen Leistungen seines Unternehmens bei der Entwicklung neuer Ansätze zur Verbesserung von Diagnose, Behandlung und Prävention häufiger Erkrankungen. DeCODE Genetics war eines der ersten kommerziellen Unternehmen, das die Möglichkeiten populationsbasierter Genomik nicht nur erforschte, sondern auch direkt nutzbar machte – etwa zur Identifizierung genetischer Risikofaktoren für Erkrankungen wie Alzheimer oder Diabetes.

Island bietet für ein solches Vorhaben ideale Voraussetzungen. Die genealogischen Aufzeichnungen der Bevölkerung sind außergewöhnlich präzise und reichen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Stefánsson selbst kann seine Abstammung auf einen einzigen Wikinger zurückverfolgen. Mit diesen einzigartigen Ressourcen sowie Innovationskraft und Ausdauer hat Kári Stefánsson es geschafft, innerhalb von zwei Jahren mehr wissenschaftliche Publikationen zu veröffentlichen als jede:r andere Biolog:in seiner Zeit.

Das Unternehmen identifizierte spezifische DNA-Sequenzen, die mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert sind – darunter Prostata-, Brust- und Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall. Stefánssons medizinischer Hintergrund als Neurologe weckte darüber hinaus ein besonderes Interesse an neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Dass diese familiär gehäuft auftreten und somit eine genetische Komponente aufweisen, ist seit Langem bekannt. Die konkreten genetischen Risikofaktoren zu identifizieren, stellte jedoch eine besondere Herausforderung dar. Erst in jüngerer Zeit gelang es Stefánsson und Kolleg:innen, genetische Varianten zu identifizieren, die mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie und Autismus verbunden sind. Die Hoffnung besteht, dass Gesundheitssysteme in den kommenden fünf Jahren beginnen werden, diese Risikofaktoren gezielt für die Krankheitsprävention zu nutzen.

2007 John Kuriyan

Regulatory Mechanisms in Protein Tyrosine Kinase Signaling

John Kuriyan, Howard Hughes Investigator und Chancellor’s Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der University of California, Berkeley, war auf Einladung von Giulio Superti-Furga der erste Vortragende der neu etablierten Veranstaltungsreihe „CeMM Landsteiner Lectures“, die am 3. Mai 2007 eröffnet wurde. Zwischen den Gruppen von Superti-Furga und Kuriyan besteht seit zehn Jahren eine enge wissenschaftliche Zusammenarbeit, aus der wichtige Erkenntnisse zu den Mechanismen enzymatischer Aktivität im Zusammenhang mit Krebsentstehung hervorgegangen sind. Die Lecture von John Kuriyan trug den Titel: „Regulatory Mechanisms in Protein Tyrosine Kinase Signaling“.

John Kuriyan zählt zu den weltweit renommiertesten Strukturbiolog:innen und hat die molekulare Struktur zahlreicher krankheitsrelevanter Proteine aufgeklärt. Seine innovative Forschung lieferte wesentliche Einsichten in grundlegende zelluläre Prozesse, insbesondere in Mechanismen der Signalweiterleitung und DNA-Replikation. Zu seinen bedeutenden Entdeckungen zählen unter anderem die erste dreidimensionale Struktur des Onkoproteins c-Src sowie grundlegende Studien zu Bcr-Abl, einem Protein, das bestimmte Formen von Leukämie verursacht. Viele seiner Publikationen gelten als Meilensteine der Molekularen Medizin.

John Kuriyan absolvierte sein Bachelorstudium in Chemie am Juniata College in Pennsylvania, promovierte am renommierten Massachusetts Institute of Technology in Cambridge bei Gregory Petsko und forschte anschließend mit Martin Karplus an der Harvard University. Nach 14 Jahren an der Rockefeller University in New York, wo er das Department für Molekulare Biophysik leitete und als Patrick E. and Beatrice M. Haggerty Professor tätig war, wechselte er 2002 an die University of California, Berkeley. Er hat bislang über 140 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, ein Viertel davon in hochrangigen Fachzeitschriften wie Nature und Cell. Zahlreiche in seinem Labor aufgeklärte Proteinstrukturen sind heute in Lehrbüchern der Molekular- und Zellbiologie zu finden – ein Hinweis auf die fundamentale Bedeutung seiner wissenschaftlichen Beiträge und die nachhaltige Wirkung seiner Forschung.