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Abdel Rahman Abdel Fattah

Abdel Rahman Abdel Fattah

Multiskalen-Mechanobiologie und Bioingenieurwesen

Forschungsschwerpunkt

Unsere Gruppe untersucht, wie lokale mechanische Kräfte das Verhalten von Zellen und ihrer Umgebung beeinflussen. Dazu kombinieren wir gezielte mechanische Stimulation mit der Analyse der von Zellen veränderten extrazellulären Matrix (ECM). Wir verwenden dafür bioingenieurtechnische Werkzeuge, Zeitraffer-Mikroskopie, Partikelbild-Velocimetrie (PIV), Bildanalyse und Computersimulationen. Ergänzt wird dies durch langfristige Beobachtungen mithilfe spezieller Reporter-Zelllinien, mit denen wir Veränderungen in Zellform, Zytoskelett, Gewebespannung und Zellschicksal verfolgen. So wollen wir besser verstehen, wie lokale Kräfte neue Eigenschaften und Strukturen entstehen lassen, die das Verhalten von Zellen und ihrer Umgebung auf Ebene ganzer Zellverbände beeinflussen.

Wichtige Forschungsbereiche

  • Dynamik von Zellen und extrazellulärer Matrix (ECM): Wir untersuchen, wie lokale Kräfte auf der Ebene von Zellverbänden Veränderungen auslösen. Dafür beobachten wir langfristig Zellform, Zytoskelett, Gewebespannung und Zellschicksal mithilfe spezieller Reporter-Zelllinien.
  • Metabolomik: Wir wollen besser verstehen, wie viel Energie nötig ist, um strukturierte, geordnete Zustände in Zellen zu erreichen oder aufrechtzuerhalten.
  • Räumliche Transkriptomik und Rasterkraftmikroskopie: Mit Hilfe räumlicher Transkriptomik und Rasterkraftmikroskopie erstellen wir Karten, die zeigen, wie mechanische Reize molekulare Veränderungen auslösen. Diese Karten verbinden unterschiedliche Ebenen – von der Zellgruppe bis zum Molekül – und helfen, molekulare Reaktionen auf mechanische Einflüsse sowie zentrale Faktoren der Gewebeorganisation zu identifizieren.
  • Funktionale Validierung: Wir überprüfen die Wirkung der entdeckten Schlüsselfaktoren der Gewebeorganisation mit genetischen Werkzeugen und Wirkstoffen.

Krankheitsmodelle

Wir erforschen, wie übermäßige mechanische Kräfte zu einer gestörten Gewebeorganisation führen – vor allem bei Verletzungen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Rolle der ECM-Dynamik bei der Ausbreitung von Schäden in Gehirn-Organoidmodellen. Ziel ist es, Ansätze zu finden, die den Verlust von Nervenzellen begrenzen, stoppen oder rückgängig machen können.
Ein weiterer Fokus liegt auf Lebererkrankungen, insbesondere Fibrose. Dabei untersuchen wir, wie lokale Veränderungen in der ECM Verletzungen in der Umgebung von Hepatozyten beeinflussen. 

Umfassende Modelle der Gewebeorganisation

Durch die Kombination von Daten aus verschiedenen Ebenen – multizellulär, zellulär, molekular und mechanisch – kann die Mechanobiologie entscheidend vorangebracht werden. Wir nutzen Methoden des maschinellen Lernens, um wichtige Merkmale zu erkennen, die die Gewebeorganisation steuern.
Zusätzlich entwickeln wir mathematische Modelle, die auf Reaktions-Diffusions- und Positionsinformationsprinzipien basieren. Damit wollen wir die physikalischen Regeln verstehen, die die räumlich-zeitliche Organisation von Gewebe bestimmen.
Unser Ziel ist es, eine datenreiche Karte zu erstellen, die zeigt, wie verschiedene Organisationsformen entstehen und sich verändern. Diese Karte soll nicht nur erklären, wie Gewebeorganisation erhalten bleibt, sondern auch aufzeigen, wann und wie sie – etwa zu Beginn von Erkrankungen wie neuronaler Degeneration – gestört wird.

Biosketch

Abdel Rahman Abdel Fattah studierte Maschinenbau an der McMaster University (Kanada). Nach ersten beruflichen Erfahrungen in der erneuerbaren Energiebranche in Ontario kehrte er an die McMaster University zurück, um dort seine Promotion abzuschließen. In seiner Dissertation kombinierte er magnetische und strömungsmechanische Konzepte, um synthetische und biologische Materialien gezielt zu manipulieren. Dabei entwickelte er mechanisch anisotrope Polymere, druckte Kohlenstoffnanoröhren-Biosensoren und stellte 3D-Zellstrukturen im Bio-Print-Verfahren für Anwendungen im Gewebe-Engineering her.

Für seine Postdoc-Phase entschied sich Abdel für Europa und arbeitete im Labor für Morphogenese und Bioingenieurwesen an der KU Leuven (Belgien) unter der Leitung von Professor Adrian Ranga im Feld der Mechanobiologie. Dort erforschte er die mechanoregulatorischen Prozesse der Neuralrohrentwicklung. Er entwickelte ein in Hydrogel eingebettetes Organoidmodell des menschlichen Neuralrohrs sowie einen Einzelzell-Transkriptom-Atlas von gestreckten Organoiden, wodurch zentrale molekulare Stressantworten identifiziert werden konnten, die das Muster der Bodenplatte ("Floorplate") beeinflussen. Darüber hinaus entwickelte er eine Hochdurchsatzmethode zur lokalen mechanischen Stimulation mittels magnetischer Mikroaktuatoren (winzige mechanische Steuerelemente), die direkt in Organoide eingebettet wurden. Damit konnte er zeigen, dass der Ort der Krafteinwirkung als Referenzrahmen für Symmetriebrechung und multizelluläre Musterbildung in Organoiden dient.

Im Rahmen seiner weiteren Untersuchungen zur Steuerung zellulärer Schicksalsentscheidungen entwickelte Abdel ein in-silico-Modell positionsabhängiger Informationsverarbeitung. Dieses Modell legt nahe, dass die Musterbildung des Floorplates bereits durch die zufällige Lage gleichartig determinierter Zellen vorbestimmt sein könnte. Anschließend untersuchte er das Zusammenspiel von epithelialer Morphogenese, Symmetriebrechung und Dynamik der extrazellulären Matrix (ECM). Seine Arbeiten zeigten eine wechselseitige Beziehung zwischen ECM-Fluss und morphologischen Prozessen, die die transkriptomische Landschaft in epitheloiden Strukturen mit „pre-streak“-ähnlichem Charakter bestimmen.

Im September 2022 kam Abdel als Postdoktorand in das Labor von Giulio Superti-Furga am CeMM, wo er sich auf die metabolischen Aspekte der mechanoregulatorischen Steuerung von Zellschicksalen konzentrierte. Seit August 2024 leitet er als Principal Investigator ein eigenes Labor am CeMM. Seine Forschungsgruppe untersucht, wie Zellen einer mechanischen „Landkarte“ folgen, um Gewebeorganisation zu initiieren, aufzubauen und langfristig aufrechtzuerhalten – sowohl im gesunden Zustand als auch bei Krankheiten. Um diesen Fragen nachzugehen, entwickelt sein Labor neue bioingenieurtechnische Werkzeuge, erstellt transkriptomische Profile und verknüpft mechanoregulatorische Prozesse auf molekularer und multizellulärer Ebene.

Top-5-Publikationen

  1. Abdel Fattah AR, Sgualdino F, Poovathingal S, et al. Extracellular matrix flow guides in-vitro epithelial morphogenesis. bioRxiv. Preprint. Posted October 21, 2022. doi:10.1101/2022.10.21.513217. (preprint of the paper)

  2. Abdel Fattah AR, Grebenyuk S, de Rooij LPMH, Salmon I, Ranga A. Neuroepithelial organoid patterning is mediated by a neighborhood watch mechanism. Cell Rep. 2023;42(11):113334. doi:10.1016/j.celrep.2023.113334. (published paper)

  3. Abdel Fattah AR, Kolaitis N, Van Daele K, Daza B, Rustandi AG, Ranga A. Targeted mechanical stimulation via magnetic nanoparticles guides in vitro tissue development. Nat Commun. 2023;14(1):5281. doi:10.1038/s41467-023-41037-8. (published paper)

  4. Grebenyuk S, Abdel Fattah AR, Kumar M, et al. Large-scale perfused tissues via synthetic 3D soft microfluidics. Nat Commun. 2023;14(1):193. doi:10.1038/s41467-022-35619-1. (published paper)

  5. Abdel Fattah AR, Daza B, Rustandi G, et al. Actuation enhances patterning in human neural tube organoids. Nat Commun. 2021;12(1):3192. doi:10.1038/s41467-021-22952-0. (published paper)

 

Eine vollständige Liste der Publikationen finden Sie im Google-Scholar-Profil von Abdel Rahman Abdel Fattah.